Editorial

Der Aufstieg von delirium in den bisherigen zwei Jahren war steil: Auf den folgenden Seiten findest du seinen drohenden Untergang. Es knarrt ein wenig gelenkig, wenn man die Seiten blättert, wie wenn man den Kopf einer Hauskatze weit in den Nacken zieht, oder wie die geblakte Diele im Estrich.
Wenn «grenzwertig» ein schönes Wort wäre, könnte man es auf jeden dieser Beiträge münzen, aber es ist kein schönes Wort: Die Beiträge sind schöner. Sie ufern aus, wo sich «neue Ufer» nicht einmal delirium auf die Fahne schreiben wollte. Die Kritiken sind vernichtend und schreien nach weiterer Vernichtung, vielleicht der eigenen. Die Redaktion, dieses zutrauliche Knäuel, hat sich über die Eingaben zerstritten. Keines der Ziele, die sich delirium auferlegt, wurde erreicht – oder gerade noch so, wie man ein Kind aus den brennenden Trümmern eines Hauses erreicht, dessen Haut sich von den Beckenknochen schält, und es ist dann doch nur dasjenige des Nachbarn.
Doch etwas scheint als galgenhafter Giebel zusammenzuhalten, was so in alle Richtungen zerrt. Der delirische Zustand ist allen Texten gemeinsam, weil sie sich ihrer Umständlichkeit, wie einer, der in der Nacht aufsteht, um zu husten, verliebt fügen: Schlächterischer Blutrausch und die Dostojewski-Hitze der Dachwohnung, Schwindel vor seiner eigenen Intellektualität, Drogen, der «literarische Rausch» und die unberuhigte Lage, aus der sich das Gedicht verabschiedet, machen uns wehrloser als üblich. – Auch das ist, wie in ein Zimmer gesperrt sein, die Hände verbunden und täglich geschlagen werden, häusliche Gewalt.
Wir bitten nicht um Rücksicht, wir bitten nicht um Verständnis. Wir bitten nicht darum, gelesen zu werden. Wir trauen uns nicht zu bitten. Das Haus delirium (manchen Wendungen wird grosses Vertrauen entgegengebracht) ist ein wenig unheimlich geworden.

Cédric Weidmann

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